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ALBANIEN: UNBEKANNTER GEHEIMTIPP AM BALKAN

VON PROF. SEPP FRIEDHUBER UND ALOIS WIMMER

 
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Blaues Auge (C) Prof. Sepp Friedhuber Berat (C) Leszek Czerwonka - stock.adobe.com Komani-Stausee (C) andrii_lutsyk - stock.adobe.com Berat, Ikonostase © Zdenek Matyas - stock.adobe.com
 

VALBONA, WILDE SCHÖNHEIT
Das Valbona-Tal ist Nationalparkgebiet und das östlichste der drei Täler, ganz nahe der Grenze zum Kosovo. Seit einigen Jahren ist es auf einer Asphaltstraße erreichbar und kann daher das ganze Jahr über besucht werden. Reist man von Westen an, ist es eine lange kurvenreiche Straße, die landschaftlich sehr schön ist und sich lohnt.
Hoch über dem Fierza Stausee, dem größten Albaniens, erreicht man auf einer kurvigen Straße mit beeindruckenden Tiefblicken, von Fushe Arrez aus die Stadt Fierza und dann Bajram Curri. Das Städtchen nahe der kosovarischen Grenze wurde nach seinem Freiheitshelden benannt. Ein monumentales Denkmal am Hauptplatz erinnert an den Kämpfer. Geboren wurde er 1862 in Yakova, damals noch dem osmanischen Reich angehörend. Bajram Curri kämpfte als Bandenführer und Guerilla für die Unabhängigkeit Albaniens erfolgreich gegen die Türken. Er wurde nach der Ausrufung des Nationalstaates 1912 Minister und Armeekommandant. Als Gegner des Königs Zogu kesselten ihn die königstreuen Truppen im März 1925 im Valbona-Tal ein. Um der Gefangennahme zu entgehen, erschoss er sich in der Höhle von Dragobi.
Der Eintritt ins Tal beginnt mit einer eindrucksvollen Schlucht, und je weiter man ins Tal gelangt, umso mehr wird es seinem Ruf gerecht, das schönste Albaniens zu sein. So hat sich Valbona zu einer beliebten touristischen Destination entwickelt. An die 500 Gästebetten stehen, teils in neuen gediegenen Hotels oder in gemütlichen privaten Gästehäusern, zur Verfügung.
Inzwischen zählt das Tal an die 50.000 ­Besucher im Jahr. So gewährleistet der sanfte Tourismus der Gegend, die früher als eine der ärmsten Albaniens galt, eine wirtschaftliche Überlebensbasis. Die Szenerie ist fantastisch. Eine gewaltige Bergkulisse, die im Westen in der 2.695 Meter hohen Jezerka, dem höchsten Berg Albaniens gipfelt, umrahmt das Tal, dichte Buchenwälder, in denen noch Wölfe und Bären leben, sowie Edelkastanienwälder bedecken die steilen Berghänge. Dazwischen fließt der Bach Lumi i Valbones mit seinem türkisgrünen Wasser in vielen Kaskaden zu Tal.

Die alten Bauernhäuser und die vereinzelten Blutrachetürme, die Kullas, liegen verstreut im Tal, wie es eben für die Bergdörfer der albanischen Alpen typisch ist. Wegen der zahlreichen Wandermöglichkeiten lohnt sich auch ein längerer Aufenthalt, denn auch hier herrscht in den heißen Monaten Juli und ­August ein wesentlich kühleres Klima als in den tiefen Lagen im Westen. Über den ­bekanntesten Übergang, den Valbona-Pass, gelangt man in sechs bis sieben Stunden zu Fuß nach Theth.

Die Rückreise kann man durch eine beschauliche Fahrt mit der Autofähre über den Koman-Stausee verkürzen. Sie wird in Reiseführern als eine der schönsten Schiffsrouten Europas bezeichnet. Der Drin wird hier zum zweiten Mal aufgestaut, und das Kraftwerk liefert 600 Megawatt Strom. Es ist damit ­einer der wichtigsten Stromversorger Albaniens.
Durch enge Schluchten mit hunderte Meter hohen, senkrechten Felswänden gleitet die Fähre durch eine fantastische Landschaft. Sie ist auch für Wohnmobile geeignet, und von der Ausstiegsstelle nahe dem Dorf Koman ist es nur mehr eine kurze Strecke nach Shkodra.

Prof. Sepp Friedhuber
 
BERAT - STADT DER TAUSEND FENSTER
Berat ist ein absolutes Muss auf einer ­Albanien-Reise. 1961 wurde sie offiziell zur Museumsstadt erklärt und im Jahr 2000 zum UNESCO Weltkulturerbe. Von der Mizeqe-Ebene kommend, vorbei an mit Olivenhainen bestandenen Hügeln, erreicht man eine der schönsten und ältesten Ansiedlungen Albaniens. Die Stadt ist landschaftlich wunderschön gelegen, an einer Engstelle des Osum-Flusses zwischen den beiden über 2.000 Meter hohen Gebirgsmassiven Tomorr und Shpirag.
Die ersten Ansiedlungen wurden auf dem felsigen Burghügel errichtet und bestehen nicht nur aus den befestigten Anlagen, sondern auch aus einem ganzen Stadtteil mit vielen Kirchen und Moscheen. Auch heute noch leben die Menschen in den alten Steinhäusern entlang enger verträumter Gassen. Unterhalb der Burg schmiegt sich der muslimische Stadtteil Mangalem an den Berg. Die meist zweigeschossigen Häuser sind aus Stein erbaut, mit weiß gekalkten Mauern. Die hölzernen Obergeschosse besitzen ­Erker und große Fenster im gleichen Stil. Sie haben der Stadt den Beinamen „Stadt der tausend Fenster“ beschert.
Östlich des Flusses liegt der Stadtteil Gorica, der durch die osmanische Steinbrücke „Ura e Gorices“ mit dem Stadtteil Mangalem und dem Burgfelsen verbunden ist. Die Brücke wurde 1780 an der Stelle einer Holzbrücke erbaut. Von ihr aus offenbart sich ein fantastischer Blick auf die Burg mit der St. ­Michaels-Kirche, die wie ein Schwalbennest in die fast senkrechte Felswand gebaut wurde.

Die erste Besiedelung wurde auf 2600 v. Chr. datiert, und die Burg wurde im 4. Jh. v. Chr. von den Illyrern erbaut. Die strategische Lage zwischen den Bergen und am Fluss Osum spielte für die Verteidigung eine entscheidende Rolle. Seither ist sie von einer turbulenten Vergangenheit geprägt. Ständig wechselten die Herrscher. Griechen, Mazedonier, Römer, Bulgaren, Italiener und Serben besetzten immer wieder die Stadt. Im Jahr 1272 rief der sizilianische König Karl I. von Anjou das Königreich Albanien aus, in das auch Berat eingegliedert wurde. Ab 1450 stand es vorwiegend unter osmanischem Einfluss. 1851 zerstörte ein schweres Erdbeben die Stadt. Sie wurde jedoch nach alten Plänen wieder aufgebaut und ist bis heute in ihrem Charakter erhalten geblieben. Während des 2. Weltkrieges war Berat von deutschen Truppen besetzt, die 1944 von Partisanen vertrieben wurden. Im Oktober wurde eine „Demokratische Regierung“ unter Enver Hoxha gebildet.
 
Für den Touristen lohnt sich ein Spaziergang am Ostufer des Osums, zwischen der neuen und der alten Brücke, durch die Gassen des Stadtteiles Mangalem mit den Herrschaftshäusern, die heute vielfach als Hotels und gemütliche Restaurants dienen. Sehenswert ist auch die Junggesellen-Moschee im Zentrum mit ihren Fresken an der Außenfassade sowie die Überreste des Pascha-Palastes mit seinen monolithischen Steinsäulen. Im Lauf der Geschichte ist der Palast immer wieder zerstört worden.
Auf einer steilen Gasse aus Kopfsteinpflaster gelangt man zu Fuß über 130 Höhenmeter hinauf zur Burg, der Kalaja e Berati. Von der Westseite des Berges führt auch eine steile Fahrstraße durch alte Olivenkulturen an den Fuß der Festung. Neben den Kirchen mit den prächtigen Fresken gibt es auch eine Reihe von Restaurants mit gemütlichen Terrassen, und an den Hauswänden bieten die Frauen ihre bestickten Tücher zum Kauf an. Von der westlichen Burgmauer hat man einen beeindruckenden Blick auf die umliegenden Berge und auf die exponierte Lage der Nikolauskirche. Das absolute Highlight ist allerdings ein Besuch im Onufri-Museum in der Metropolitankirche.
 
ONUFRI
Über das Leben eines der bedeutendsten Ikonenmaler Albaniens ist relativ wenig bekannt. Nach 1547 arbeitete er für längere Zeit in Berat und hinterließ der Nachwelt Ikonen von einzigartiger Schönheit. Seine rötlichen Farbmischungen sind bis heute ein Geheimnis, und sie erzielen die für Onufri typische Farbwirkung. Seine Malschule wurde von seinem Sohn Nikola übernommen und weiter betrieben. Im Museum von Berat sind seine bedeutendsten Werke ausgestellt. Als besonderes Prunkstück von Berat gilt die Ikonostase im Zentrum der Kathedrale. ­Bemerkenswert ist auch der Fund des Codex Beratinus, eine Evangelien Handschrift aus dem 6. Jahrhundert. Sie zählt zu den ältesten Handschriften der Welt.
 
IKONOSTASE IN DER METROPOLITANKIRCHE
Sie ist das Prunkstück des Museums, stammt vom Ende des 18. Jahrhundert und ist die Gruppenarbeit von Handwerkskünstlern, die 14 Jahre für ihre Fertigstellung benötigten. Die aus Walnussholz geschnitzte vergoldete dreitürige Trennwand zwischen Kirchenschiff und Altarraum ist mit einzigartigen Ikonen geschmückt. Neben dem königlichen Tor in der Mitte wurden Werke von Onufri eingefügt, die aus dem 16. Jahrhundert stammen und aus anderen Kirchen entfernt wurden. Im religiösen Zugang ist die Ikonostase jedoch keine Trennwand, sondern symbolisiert eine „Glaswand“, die den Blick in die kommende himmlische Welt freigibt, freilich noch unter der Hülle der Bilder. Diese Hülle, die erst fallen wird, wenn wir Ihn selber von Angesicht zu Angesicht schauen werden, ist auf keinen Fall eine Schranke, sondern der bestmögliche Ausdruck dessen, was sichtbar dargestellt werden kann, denn hinter ihr gibt es nichts zu sehen, und zwar in dem Sinne, dass sich das gefeierte Geheimnis nicht mehr im Bereich des Sichtbaren, sondern in jenem der Heilsgemeinschaft befindet. Was der Westen als „Heilige Messe“ bezeichnet, nennt die Ostkirche die „Feier der heiligen Geheimnisse“.
So beschränkt sich die Funktion der Ikonostase nicht allein darauf, die gesamte Heilgeschichte vor unseren Augen aufzurollen, sie deutet darüber hinaus den Übergang in eine andere, unseren leiblichen Augen nicht zugängliche Welt an. Sie symbolisiert mit anderen Worten die Grenze zwischen der Sinnes- und Geisteswelt. Vielleicht passt hier das Wort von Antoine de Saint-Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“.

Alois Wimmer

Auszüge aus dem Buch „ALBANIEN: Natur und Kultur“, hrsg. von Sepp Friedhuber, mit Beiträgen von Josef Achleitner, Ervin Allushi, Bernhard Lichtenegger und Alois Wimmer, Adeva-Verlag, 2020. Wir bedanken uns bei Sepp Friedhuber für die Abdruckerlaubnis.

 
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